Ein von mir überaus geschätzter Fotofreund erzählte mir eine Begebenheit, die es, so meine Überzeugung, wert ist weitererzählt zu werden.
Vernissage
Mein eingangs angesprochener und geschätzter Fotofreund war von einem ihm wiederum verbundenen Fotofreund zur Vernissage zu dessen Ausstellung eingeladen. Wie bei solchen Vernissagen üblich, gab es einen Stehempfang mit einem Gläschen Sekt und zu einem späteren Zeitpunkt dann feinen Schnittchen.
Die Gäste hatten sich eingefunden, standen in kleinen Grüppchen zusammen, schlürften, das Sektglas mit abgespreiztem kleinen Finger zu Mund führend, das edle Gesöff und begannen bedeutungsschwanger Gespräche zu den ausgestellten Werken. Wobei natürlich ausgestellt die falsche Wortwahl ist, werden die Werke doch nicht schnöde ausgestellt, sondern gehängt.
Eine Ausnahme zu dieser Hängung machte eine Bild vorne auf dem Podium, welches auf einer Staffel, welche echte Maler zum bemalen ihre Leinwände nutzen, angebracht war. Dort hin begab sich eine, wie soll man sagen, entsprechend des Anlasses gekleidete Dame, in allen künstlerischen Bereichen hoch angesehen und anerkannt, um die Begrüßungsansprache, oder sollte es ein Laudatio werden, zur Vernissage zu halten.
Mehrere sachte Schläge mit einem schnöden Kugelschreiber gegen den Rand eines leeren Sektglases ließen die Gespräche verstummen und Frau Sowieso begann ihre Rede. Wobei die Ausführungen durchaus auch von einem männlichen Individuum hätten ersonnen und vorgetragen sein konnten.
Einer sehr ausführlichen, wohlwollender Bildanalyse schlossen sich wohlwollende Betrachtungen aus gestaltungstechnischer Sicht und eine überschwänglich wohlwollende Bewertung der technischer Ausführung an. Den Schlussakkord bildete dann, wie soll man es ausdrücken, die überaus umfangreiche und tiefgründige Ergründung der Motivation des Fotografen zu diesem einen Bild und die wiederum umfangreiche Darlegung der sich daraus ergebenden Bildaussage für die Betrachter. Dem Schlussakkord folgte eine kurze und elegante Verbeugung und die Weitergabe des Wortes an den Fotografen selbst.
Den einsetzenden, begeisterten Applaus genossen sowohl Frau Sowieso als auch der Fotograf. Wer diesen allerdings während des Vortrages beobachtet hatte, dem war ein hin und wieder aufblitzendes, schelmisches Grinsen sicher nicht verborgen geblieben. So übernahm dieser das Wort, bedanke sich höflich um dann sinngemäß zu sagen: „Liebe Frau Sowieso, vielen Dank für ihre Ausführungen ….. aber das ist alles Quatsch. Mir gefiel ausschließlich die besondere blaue Farbe des Motiv und deshalb habe ich es, quasi im Vorbeigehen, aufgenommen. Gleichwohl ist es ein Bild, welches ich besonders mag“.
Rums, rundum weit geöffnete Augen und Münder, Totenstille, nicht einmal Atemgeräusche waren zu hören. In die immer endloser erscheinende Stille traute sich dann ein Gast mit einem zaghaften Applaus vor, in den die restlichen Gäste mit sichtbarer Erleichterung einstimmten. Selbst Frau Sowieso stimmte mit ein und nahm recht rasch wieder ihre ursprünglich Hautfarbe an.
Die Gäste stürmten sodann zu den dargebotenen Schnittchen und bildeten, um die gehängten Werke stehend, kleine Grüppchen, welche sich bedeutungsschwanger in Bildanalyse, gestalterischer …............ ergingen.
Die Gäste stürmten sodann zu den dargebotenen Schnittchen und bildeten, um die gehängten Werke stehend, kleine Grüppchen, welche sich bedeutungsschwanger in Bildanalyse, gestalterischer …............ ergingen.
Und die Moral von der Geschichte?
Nun, dies zu ergründen überlasse ich jeder geneigten Leserin und jedem geneigten Leser gerne selbst um nicht der Gefahr zu verfallen, Frau Sowieso nacheifern zu wollen.
Herzlichst
Michel
Anmerkung:
Natürlich wäre es möglich gewesen, die Begebenheit kurz und knapp wiederzugeben, was jedoch der Sache vermutlich nicht gerecht geworden wäre.